"Die Öffnung der Monade" ein Essay von Lukas Töpfer
Definitionen bedürfen der Grenzen, der Abgrenzung, definitio, der Teilung in Innen und Außen. Bestimmbar bleibt nur, was die Grenzen zu sichern, das Außen im Außen zu halten vermag. „Wo nun gar keine Schranken sind / wie wir solches in Gott befinden / daselbst muß die Vollkommenheit schlechterdings unendlich sein.“ (Leibniz) Das Schrankenlose steht Gott zu Gebot. Das Beschränkte hat keine Berührung zum Außen. Dass Ausnahmen oftmals die Regel bestätigen, geht allzu leicht von den Lippen.
Das Zerbersten der Grenzen des Ganzen, der Durchbruch zum Außen hält kurz vor dem Umschlag inne. Der Bruch der Monade∗ wird still gestellt: ein Bild, das, bevor es zerstört wird, standhält.
Eine Möglichkeit, den vor Kurzem entstandenen Arbeiten Konstantino Dregos’ zu begegnen, könnte darin bestehen, Monaden auf ihnen zu sehen, die geöffnet, entgrenzt werden. Die geschlossene Form wird gebrochen, der Balken durchkreuzt. Die Ekstase wird eingefroren. Die Grenzen werden aufgelöst. Die Auflösung wird Bild.
In „bending black and white corners“ werden drei vertikale Balken von einer Bewegung durchzuckt, die den mittleren nach außen treibt und die anderen – wie eine Druckwelle – mitreißt. Die vertikalen Grenzstreifen, die sichtbar an Barnett Newman geschult sind, zerbersten und lösen die Ordnung auf: der Anfang der Entropie. Der Augenblick wird auf Dauer gestellt. Die Gegenwart wird festgehalten. Die Wirkungen der Zerstörung gerinnen zum Bild: „Verweile doch, du bist...“ Am Grenzpunkt, der Ordnung und Unordnung trennt, werden Gegensätze zusammengeschlossen: das Helle, Dunkle, Bestimmte, Entgrenzte, Bewegte, die Ruhe im Auge des Sturms.
An der Berührungslinie der Grenzen liegt eine Zone der Ununterscheidbarkeit, ein Ort, oder besser: ein Nicht-Ort, der jedwede Trennung in Innen und Außen verhindert. Wo die dunkle Fläche die helle, die helle die dunkle berührt, stehen beide in Frage. Für den Bruchteil, in dem sie einander begegnen, schlägt eine der andern die Augen auf.
In „dissolving machine“, einem weiteren Werk, werden Zeichen zerstreut und vom Bildfeld gewischt. Die Zeichen der Zeichenauslöschung verbleiben. Der Affekt überschreibt und durchkreuzt die Berechnung. Die kleinen, bedeutungsbehafteten Formen (warum nimmt man denn an, dass sie Sinn enthalten?), sind hilflos verteilt auf der Fläche, die Ordnung und Unordnung zu einem Dritten verschränkt. Das emotionale Gewicht der Dinge, die wir nicht mehr kontrollieren können, wird der trockenen Formalität der Zeichen mit kräftigen Zügen entgegengeworfen. Oder könnte man, anders gewendet, behaupten, die Zeichen enthielten das Unkontrollierbare, Unüberschaubare, Unbegrenzte, wie das Aleph die Unendlichkeit?
„Die Monaden streben alle auf eine undeutliche Art nach dem Unendlichen“ (Leibniz).
Irgendwann entdeckte man, dass Atomkerne zu spalten sind. Manche werden von außen gespalten. Manche zerfallen von selbst.